Er ist sanft, buttrig, nie zu süß und im besten Fall schmilzt er auf der Zunge: Der Christstollen gehört zu den Genussklassikern unter den weihnachtlichen Gaumenfreuden, der uns in seiner dezenten Windel aus Puderzucker an das Christkind in der Krippe erinnern soll. Ob raffiniert mit feinsten Gewürzen und mit natürlichen Aromen zubereitet, ob als klassischer Dresdner Striezel oder als Hochgenuss nach geheimen regionalen Rezepturen auf den Tisch gezaubert: Der Stollen, einst als Fastenbrot zur Adventszeit gereicht, hat seinen festen Platz in der kulinarischen Leitkultur in Deutschland. Insofern gibt er sich als typisch deutsches Backwerk zu erkennen.
Diese Mischung aus Rosinen, geriebenen Mandeln, Zitronat und anderen Zutaten, die hier mit Mehl, Zucker und Eiern eine innige harmonische Verbindung eingegangen sind, scheint für den Feinschmecker geradezu darauf gewartet zu haben, durch einen passenden Wein geadelt zu werden. Die verführerische Liaison zur Weihnachtszeit, die einen Trierer Bäckermeister sogar einmal zu der Kreation eines Riesling-Wein-Stollens inspirierte, gehört zu jener leichten Geschmackslust, die uns die Festtage versüßt.
Die perfekte Harmonie von Wein und Speisen ist in diesem Fall mitunter eine nicht gerade alltägliche Paarung, die schon etwas Feingefühl verlangt. Denn nur selten erhebt sich das Festtagsgebäck aus der kulinarischen Sackgasse mit einer Tasse Kaffee. Zu einem wahren Genuss gehören hingegen stets Überschreitungen, jene überraschenden Momente, die bei den Gästen einer Festtagstafel zu Aha-Erlebnissen führen. Wein und Stollen versprechen in diesem Sinne ein Gaumenabenteuer der besonderen Art.
Was den Gourmet an dem aromatischen Gleichklang von Stollen und Wein begeistert, ist seine außergewöhnliche Variationsbreite. Der Christstollen besitzt wie kaum ein anderer Kuchen die einmalige Fähigkeit, fast jeder Art von Dessertwein zu einer Glanzrolle zu verhelfen. Gute Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen und Eisweine, die mit ihrem Wechselspiel von Säure und Süße, von Rosinen und Nüssen oder gar von Kakao- und exotischen Aromen aufwarten, ohne den Eindruck zuckriger Klebe zu hinterlassen, vertragen sich bestens mit dem feinen Backwerk.
Der Griff zu einem typischen Dessertwein scheint zwar nahe liegend, da die meisten edelsüßen Weine dieser Gewichtsklasse aber auch einen festlichen Preis haben, lohnt der Blick auf die übrigen Weinspezialitäten.
Hauptsächlich in Deutschland findet man den Geschmackstyp der halbtrockenen Weißweine, deren feine Restsüße, gepaart mit eleganter Säure, vielen anderen Weinen als Genusspartner bestimmter Speisen überlegen ist. Nicht nur die deutlich süßen also, sondern auch fruchtbetonte halbtrockene und trockene Weine ohne ausgeprägte Säure haben es denn in dieser Genusspaarung nicht schwer, vorausgesetzt das Backwerk selbst ist nur dezent gesüßt, wie sich dies für einen Qualitätsstollen gehört. Empfehlenswert sind etwa trockene oder halbtrockene Auslesen und Spätlesen, die etwas schlanker und unaufdringlicher daher kommen. Vor allem die so genannten „Aroma-“ oder „Bukettsorten“ versprechen außergewöhnliche Genüsse in Kombination mit dem saftigen Backwerk: Muskateller, Gewürztraminer, Huxelrebe, Morio-Muskat & Co. gehören zu jenen Sorten, die besonders deutliche florale Noten und Würzaromen hervorbringen.
Für Experimentierfreudige dürfte etwa die Kombination mit einer mittelkräftigen Huxelrebe Spätlese oder Auslese überraschende geschmackliche Highlights bieten und ein ebenso strukturierter, halbtrockener Traminer zeigt sich besonders gelungen im Wechselspiel mit Rosinen, Mandel- und Zitrusaromen.
Bei den Rotweinen sollte man hingegen Vorsicht walten lassen. So erlebt man mit einem trockenen Spätburgunder geschmackliche Kollisionen, da sich die Bitternoten des Weines mit denen des Stollens verstärken, was zu unangenehmen Geschmackseindrücken führen kann.
Auf eine interessante Gratwanderung begibt man sich hingegen mit mittelkräftigen, eher milden bis lieblichen Rotweinen – etwa einer würzig-animierenden Spätburgunder Auslese mit feinen Vanille-Aromen, einem Muskat-Trollinger oder Muskat-Lemberger mit dezenter Restsüße.
Generell gilt: Je mehr Bitterstoffe (wie z. Bsp. Mandeln, Marzipan) den Geschmack eines Stollens beeinflussen, desto weniger Säure sollte der begleitende (Süß-) Wein aufweisen (Riesling Auslese, Spätlese); je würziger die Zubereitung eines Stollens ausfällt, desto würziger darf der Wein sein (z. Bsp. Gewürztraminer, Muskateller, Huxelrebe).
Eine preiswerte Alternative zu den reinen Wein-Genuss-Partnern stellen etwa Liköre dar, die durch ihre dezente Süße und einen zarten Schmelz eine gelungene Genusspaarung mit dem Stollengebäck abgeben. Schließlich haben sie sich von ihrem Image von einst als bloßer Gaumenkitzel so mancher Damenkränzchen längst befreit. Ihr cremiger Charakter, der den süß-sahnigen, den fruchtigen oder eher würzigen Typ unterstützt macht diese aromatischen Dessert-Getränke zu einem ebenfalls würdigen Begleiter eines Christstollens.
Das weihnachtlichste unter den Backwerken scheint bei den ansprechenden Traumpaarungen
kaum Grenzen zu kennen. Hier ist nicht zuletzt die Neugierde und Entdeckerfreude jedes einzelnen gefragt. „Nur der Genuss wird zur Schöpfung“, heißt es schon bei Voltaire - ein Grund mehr, das edle Gebäck nicht nur zur Weihnachtszeit auf den Tisch zu bringen. leu